Erfahrungsbericht von Felix H.
Drogenhilfe
Ein neues Lied der Hoffnung
Felix ist gelernter Zupfinstrumentenbauer. Er spielt begeistert Stücke der Renaissance und des Barock. Aber das war nicht immer so. Nach den Liedern seines alten Lebens, gab es einen „Saitenwechsel“.
Wenn ich heute an Hoffnung für Dich e.V. denke, kommt mir als erstes Lebensrettung in den Sinn. Es ist ziemlich sicher, dass ich heute nicht mehr leben würde, wenn mein Drogenkonsum so weitergegangen wäre. Für mich hat damals ein komplett neues Leben angefangen. Rückblickend habe ich den Eindruck, dass ich irgendwie noch einmal neu auf die Welt gekommen bin. Mein Leben zu reflektieren, mich selbst und meine Umwelt realistisch einschätzen zu lernen, das waren wesentliche Prozesse in dieser Zeit. Für mich ist Schloss Falkenberg ein heilsamer Ort geworden. Ich glaube heute, dass, was mir früher noch nicht bewusst war, hier Gottes Eingreifen das Entscheidende in mir bewirkt hat.
Die negative Entwicklung meiner Kindheit begann, als meine Mutter uns mit meiner Schwester verließ. Ich war damals 6 Jahre alt. Es gab, was Familie und Zuwendung betraf, einen starken Bruch. Ich fühlte mich sehr einsam und verlassen. In der Schule wurde ich gemobbt. Daher orientierte ich mich nach und nach an Jugendlichen, die ihre Probleme mit Hilfe von Alkohol und Drogen versuchten zu betäuben. Zuhause hatte ich den Eindruck, dass über die Probleme nicht gesprochen werden sollte. Z.B. hatte meine Mutter einen großen Lymphknoten, wo die Befürchtung aufkam, dass es Krebs sei. Da es aber nicht thematisiert wurde, quälte mich nur immer die Angst. Ich fand dann auch bei mir einen entzündeten Lymphknoten und verheimlichte das natürlich auch. Aber dadurch stieg immer mehr Panik in mir auf. Probleme zu negieren, sie zu verdrängen oder mit etwas zu kompensieren, wurde zu einem Lebensschema. Die sich aus dieser Spirale entwickelnden Schwierigkeiten belasteten unsere Familie stark. Mit dem zunehmenden Drogenkonsum erweiterten sich die Probleme. In der Familie wurde es immer chaotischer. „Du bringst deinen Vater noch ins Grab“. Dieser Satz prägte sich bei mir tief ein. In dieser Situation veranlasste mein Vater damals, dass ich in die Kinder-und Jugendpsychiatrie kam. Aber ich floh nach Frankreich und in verschiedene europäische Städte. Ich lebte auf der Straße. Dann wieder eine Einlieferung in die Psychiatrie. Ich floh aus den Kliniken und jagte rastlos zwischen Frankfurt, Wuppertal und Hamburg durch die Städte. Ich lebte nur noch zwischen Pennern in Zeltkolonien, auf der Straße und unter Brücken. Irgendwann hatte ich die Nase voll von diesen großen Städten. Ich war gerade volljährig, als ich in meine Heimat zurückkam. Ein Kumpel hatte mir ein Zelt gegeben und so lebte ich am Ufer der Eder. Einmal in der Woche fuhr ich zu einem Substitutionsarzt nach Marburg. Ansonsten vegetierte ich vor mich hin. Das ging einige Monate so.
Es wurde Winter. In meinem Zelt war es unerträglich kalt, so dass ich mich abends zum Aufwärmen immer in eine Kneipe zurückzog. Ich traf Paul, einen alten Freund aus Kindertagen, der mich auf meine Situation ansprach. Er erzählte, dass er mit Gott sein Leben neu begonnen hatte. Nach dieser kurzen Begegnung ereignete sich dann Sonderbares. Eines Morgens stand an meinem mit Raureif bedeckten Zelt ein junger Mann und rief meinen Namen. Er bot mir eine Wohnung an und schlug mir vor eine therapeutische Einrichtung zu suchen. Ich sagte ihm: „Die Wohnung nehme ich, die Therapie nicht.“ Ein Jahr lebte ich in dieser Wohnung mit meinen Ersatzdrogen. Aber ich versumpfte trotzdem immer mehr. Dann starb ein Freund an Leberkrebs. Ich ging wieder auf diesen jungen Mann zu, um das Thema Therapie noch einmal aufzugreifen. Ich traf die Entscheidung Therapie zu machen. Bei den Einrichtungen, die er vorschlug, war auch Hoffnung für Dich e.V. dabei. Ich entschloss mich diese Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Den körperlichen Entzug zog ich alleine in meinem Zimmer durch. Woher ich diese Kraft bekam das durchzuziehen war mir damals noch nicht klar. Heute weiß ich, dass auch da schon Gottes Eingreifen der Grund gewesen sein muss. Kurze Zeit später fand ich mich auf Schloss Falkenberg wieder. Jetzt in nüchternem Zustand spürte ich wieder das Leben. Ohnmacht und Angst, auch der Lymphknoten waren wieder Thema. Aber in mir war immer noch das Prinzip verankert: Über Probleme wird nicht gesprochen. Panikatacken plagten mich Tag und Nacht. Ich hielt es nicht aus. Es kam zu einem Rückfall mit Alkohol. Im Gespräch mit meinem Bezugstherapeuten passierte es dann, dass meine Angst herausplatzte und ich anfing meine Innenwelt zu offenbaren. Auch die Überprüfung meines Lymphknotens, war mit Überwindung verbunden, ließ dann aber alle schlimmen Befürchtungen verstummen. Irgendwie war das der Durchbruch sich jetzt auch allen andern Themen zu stellen. Aufarbeitung meiner Bindungsstörung und Beziehungsabhängigkeiten waren schmerzliche Erfahrungen, die bei mir auch manchmal zu Wutausbrüchen und Widerstand in der Maßnahme führten. Im Nachhinein verstand ich, dass diese schmerzlichen Prozesse ein Weg zu einer inneren Heilung waren. Und so verstand ich nach und nach rückblickend Gottes Handeln in meinem Leben. Es ging nicht nach dem Prinzip, was ich einmal gehört hatte: Bete und der Liebe Gott erfüllt dir alle deine Wünsche. Jesus ist keine Ersatzdroge. Ich spürte, wie das Handeln Gottes und meine Verantwortung da zusammenwirken mussten. Das hat sich in meinem späteren Leben immer wieder bewahrheitet. Auch die Widerstände und Unebenheiten gehören zu deinem Leben, aber Gott ist da. Dadurch habe ich Vertrauen gelernt. Nach dem Abschluss meiner Maßnahme folgten 13 Monate Betreutes Wohnen, Schulabschluss nachholen und die ersten eignen Schritte in der neu gewonnen Freiheit.
Ich begann eine Ausbildung, die mir aber letztlich nicht entsprach. Da ich schon immer gerne Gitarre spielte und alte Musik liebte, kam er Gedanke auf eine Ausbildung als Zupfinstrumentenbauer zu beginnen. Ich bewarb mich in Klingental, Sachsen auf einer Fachschule mit anderen 105 Bewerbern. Ich bekam mit fünf andern Bewerbern eine Zusage. Auch nach der abgeschlossenen Ausbildung blieb das Leben eine Schule. Immer wieder machte ich die Erfahrung: Du wirst es später erfahren. Es ging über berufliche Hürden und durch Hindernisse, aber auch in persönlichen Beziehungen. Aber mitten in den Krisen war mein Vertrauen zu Gott herausgefordert. Heute habe ich rückblickend den Eindruck, dass mein Vertrauen mit jedem Hindernis an Tiefe gewonnen hat.
Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.
Joh 13,7